Wenn man sich hier eingelebt hat, fallen einem Dinge auf, die vorher verborgen blieben. Am deutlichsten steigert sich wohl die Wahrnehmung für die Kinder hier. Man bemerkt, wenn man im Unterricht in die vielen Gesichter schaut viele, denen die Sorge ins Gesicht geschrieben steht. Hier an der Schule haben sie ein festes Dach über dem Kopf, ein Bett, auch wenn sie dies meist teilen müssen, sie bekommen zu essen und werden unterrichtet. Doch wie sieht es bei ihnen zu hause aus? Wie leben die Eltern? Das kleine Geschwisterkind?
Viele Kinder sind krank. Hautkrankheiten sind das häufigste Krankheitsbild. Oft sieht man zwei Kinder zum Schultor hereinkommen, das Eine hat eine Infusion gelegt bekommen, das Andere hält die Ampulle hoch. Sie enthält eine klare Flüssigkeit, wir vermuten, es ist einfache Kochsalzlösung. Es hat eine Weile gedauert, bis ich eine Idee hatte, was die Ursache der ganzen Krankheiten sein könnte.
Die Kinder trinken hier das Wasser direkt aus der Leitung, ohne es vorher abzukochen oder zu reinigen. Da das Wasser hier stark verschmutzt ist, könnte das eine Ursache für die Hautkrankheiten sein. Was die Infusionen angeht, so glaube ich, dass diese verlorenes Wasser ersetzen sollen - durch die bakterielle Verseuchun des Wassers haben die Kinder hier ständig Durchfall. Dehydration ist die Folge, Wassermangel, der intravenös behoben wird.
Wie kann man dieses Problem lösen? Nun... Durch sauberes Trinkwasser. Doch wie versorgt man 370 Kinder mit klarem Trinkwasser? Da kommt eigentlich nur Wasseraufbereitung in Frage, doch die ist kostspielig. Gestern war Herr Hahl dann hier und ich habe ihm das Anligen geschildert. Er war begeistert und erzählte mir, dass er für seine Projekte in Afrika mit einer deutschen Firma zusammenarbeite die Wasseraufbereitungsanlagen baue und nach Afrika schicke. Diese Geräte seien so leistungsstark, dass sie wahrscheinlich nicht nur die Schule, sondern gleich das ganze Dorf mit Trinkwasser versorgen könnten. Nächste Woche wird er mir Datenblätter zu den Geräten mitbringen, wir werden das genau ausarbeiten und hier dann der Schulleitung präsentieren. Ich hoffe auf Erfolg, das würde die Lebensqualität hier erheblich steigern.
Was die Dusche angeht, so wird einfacher schwarzer Schlauch oder schwarzes Rohr mit kleinem Durchmesser als Eigenbau-Solaranlage verbaut werden. Ich denke, dass wir damit vielleicht schon nächste Woche anfangen können. Wir müssen nurnoch eine Mischbatterie, die Schläuche, Bambus für die Duschkabinen und ein bischen Werkzeug besorgen, sowie das grüne Licht vom Schulleiter bekommen, dann gehts los.
Seit einigen Tagen herrscht hier an der Schule Ausnahmezustand.
Die Regierung hat sich zu einer Inspekton angekündigt. Seit tagen schrubben, putzen und polieren hunderte kleiner Kinderhände das geamte Schulgelände. Ich helfe immer fleißig Wassereimer schleppen und rufe damit - besonders bei den Mädchen - große Tuschel- und Kicherarien hervor. Dort wo Wasser und Waschpulver nichts mehr ausrichten, also an etwa 80% der Wandfläche, greift man zu härteren Maßnahmen: feines Schmirgelpapier. Damit rieselt der Dreck wie von selbst von der Wand. Der Gang vor meiner Tür wird gerade das vierte Mal in drei Tagen gewischt. Gestern fiel um 7:00 Uhr morgens ein 60 Kinder großer Putztrupp in den Gang ein, und schrubbten laut schnatternd drauf los.
Außerdem existierte an der Mauer neben dem Eingang ein Schriftzug, der der Regierung offensichtlich nicht gefallen hätte - Kurzehand wurde er mit großen Papierbögen abgedeckt, auf die dann Fotos aufgeklebt wurden. Auch Hanna und ich sind mit einer Fotografie darauf verewigt.
Im Zuge dieser Grundreinigung fällt seit einer Woche mein Unterricht aus.
Vorgestern war es dann auch soweit, meine Wäschevorräte waren restlos erschöpft. Also musste ich waschen. Hanna und ich haben uns unsere dreckige Wäsche gepackt und sind zum Wasserhahn gezockelt. Große Schüssel, Wasser rein, Waschpulver rein, alles einweichen, kneten, knuddeln, schrubben, rühren. Es war stockfinster, als wir alle Sachen ausgewaschen hatten. Dann hängten wir das Ganze auf die Leine. Oh Wunder - Am Abend des nächsten Tages war alles trocken und nicht ein einziges Teil hatte Waschmittelflecken. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, dass wir vollkommen blind gewaschen haben.
Zukünftig würde ich gerne für ein wenig Freizeitbeschäftigung sorgen. Ein wenig Spielzeug anschaffen. Momentan ist die Lieblingsbeschäftigung hier, diese Tiere
an den Flügeln zu packen und in die Luft zu werfen. Da kann man noch dran arbeiten.
Und genau das tue ich jetzt.
Jannik